Seite 302 - Der gro

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Der große Kampf
eine bestimmte Haltung als Ketzerei zu bezeichnen und zu bestra-
fen, ist einer der tief eingewurzelten päpstlichen Irrtümer. Während
die Reformatoren das Glaubensbekenntnis Roms verwarfen, waren
sie doch nicht ganz frei von seinem unduldsamen Geist. Die dich-
te Finsternis, in die das Papsttum während der langen Zeit seiner
Herrschaft die gesamte Christenheit eingehüllt hatte, war selbst jetzt
noch nicht völlig gewichen.
Einer der leitenden Prediger in der Kolonistensiedlung in der
Bucht von Massachusetts sagte: „Duldung machte die Welt anti-
christlich; und die Kirche hat sich durch die Bestrafung der Ketzer
nie geschadet.
In den Kolonien wurde die Verordnung eingeführt,
daß in der zivilen Regierung nur Kirchenglieder eine Stimme ha-
ben sollten. Es wurde eine Art Staatskirche gegründet; jeder mußte
zum Unterhalt der Geistlichkeit beitragen und die Behörden wurden
beauftragt, die Ketzerei zu unterdrücken. Somit war die weltliche
Macht in die Hände der Kirche gegeben. Es dauerte nicht lange, bis
diese Maßnahmen das unvermeidliche Ergebnis nach sich zogen —
Verfolgungen.
Elf Jahre nach der Gründung der ersten Kolonie kam Rogger
Williams nach der Neuen Welt. Gleich den früheren Pilgervätern
kam er, um sich der Religionsfreiheit zu erfreuen; aber im Gegensatz
zu ihnen sah er — was so wenige zu seiner Zeit sahen —, daß diese
Freiheit das unveräußerliche Recht aller Menschen ist, wie ihr Glau-
bensbekenntnis auch lauten mag. Williams war ein ernster Forscher
nach Wahrheit und hielt es, wie auch Robinson, für unmöglich, daß
sie schon alles Licht aus dem Worte Gottes erhalten hätten. Er „war
der erste Mann im neueren Christentum, der die zivile Verwaltung
auf die Lehre von der Gewissensfreiheit und der Gleichberechtigung
der Anschauungen vor dem Gesetz gründete“
Er erklärte, daß es
die Pflicht der Behörde sei, Verbrechen zu verhindern, daß sie aber
nie das Gewissen beherrschen dürfe. „Das Volk oder die Behörden“,
sagte er, „mögen entscheiden, was der Mensch dem Menschen schul-
dig ist; versuchen sie aber einem Menschen seine Pflicht gegen Gott
vorzuschreiben, so tun sie, was nicht ihres Amtes ist, und man kann
sich auf sie nicht mit Sicherheit verlassen; denn es ist klar, daß der
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Martyn, Bd. V, 335
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Bancroft, 1.Teil, Kapitel 15,16. Abschnitt