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Der große Kampf
Festungswerke niederwarfen und seine Krieger erschlugen, so erfüll-
ten sich buchstäblich alle Weissagungen Christi über die Zerstörung
Jerusalems. Das jüdische Volk mußte die Wahrheit der Warnungs-
botschaften Christi am eigenen Leibe erfahren: „Mit welcherlei Maß
ihr messet, wird euch gemessen werden.“
Matthäus 7,2
.
Als Vorboten des Unglücks und Untergangs erschienen Zeichen
und Wunder. Mitten in der Nacht schwebte ein unnatürliches Licht
über Tempel und Altar. Die Abendwolken glichen in ihren Umrissen
sich zum Kampfe sammelnden Kriegern und Streitwagen. Die nachts
im Heiligtum dienenden Priester wurden durch geheimnisvolle Töne
erschreckt; die Erde erbebte, und einen Chor von Stimmen hörte man
sagen: „Lasset uns von hinnen gehen!“ Das große östliche Tor, das
so schwer war, daß es von 20 Männern nur mit Mühe geschlossen
werden konnte und dessen ungeheure eiserne Riegel tief in der
Steinschwelle befestigt waren, tat sich um Mitternacht von selbst
auf.
Sieben Jahre lang ging ein Mann durch die Straßen Jerusalems
und verkündigte den der Stadt drohenden Untergang. Tag und Nacht
sang er das wilde Trauerlied: „Stimme von Morgen, Stimme von
Abend, Stimme von den vier Winden, Stimme über Jerusalem und
den Tempel, Stimme über den Bräutigam und die Braut, Stimme
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über das ganze Volk.“ Dies seltsame Wesen wurde eingekerkert und
gegeißelt; aber keine Klage kam über seine Lippen. Auf Schmähun-
gen und Mißhandlungen antwortete er nur: „Wehe, wehe Jerusalem!
Wehe, wehe der Stadt, dem Volk und dem Tempel!“ Dieser War-
nungsruf hörte nicht auf, bis der Mann bei der Belagerung, die er
vorhergesagt hatte, getötet wurde
Nicht ein Christ kam bei der Zerstörung Jerusalems ums Leben.
Christus hatte seine Jünger gewarnt, und alle, die seinen Worten
glaubten, warteten auf das verheißende Zeichen. „Wenn ihr aber
sehen werdet Jerusalem belagert mit einem Heer,“ sagte Jesus, „so
merket, daß herbeigekommen ist seine Verwüstung. Alsdann, wer in
Judäa ist, der fliehe auf das Gebirge, und wer drinnen ist, der weiche
heraus.“
Lukas 21,20.21
. Nachdem die Römer unter Cestius die
Stadt eingeschlossen hatten, hoben sie unerwartet die Belagerung
auf, gerade zu einer Zeit, als alles für den Erfolg eines sofortigen
1
Josephus, „Geschichte des Jüdischen Krieges“, VI, Kapitel 5